Für diesen Blogbeitrag habe ich die Diplompsychologin und Hypnosetherapeutin Dr. Johanna Disselhoff interviewt. Sie ist Expertin für psychosomatische Beschwerden und erklärt, wie Selbsthypnose funktioniert und warum es immer sinnvoll ist, bei körperlichen Beschwerden auch die Psyche zu befragen.
Wie kamst du dazu, Hypnosetherapeutin zu werden?
„Ich habe sei früher Kindheit Schuppenflechte. Und da wurde mir immer gesagt, dass das mit Stress zu tun hat, aber ich habe lange nicht verstanden, was eigentlich Stress in mir auslöst. Ich habe es mit Entspannungsverfahren und Sport probiert, aber der Haut war das völlig egal.
Mit 13 wurde noch ein Herzfehler diagnostiziert. Das führte dazu, dass ich immer mehr Ängste in Bezug auf ihren Körper entwickelt habe. Ich habe meinem Körper immer weniger vertraut.
2017 habe ich dann mit Hypnose endlich die Antworten gefunden, die sie so lange gesucht habe. Nach nur wenigen Wochen waren meine Unverträglichkeiten und vor allem auch mein Herzfehler weg. Mit den körperlichen Beschwerden haben sich dann auch meine Ängste gelöst. Und das hat mich natürlich neugierig gemacht. Ich war so begeistert, dass ich meine Selbstständigkeit komplett auf Psychosomatik umgestellt habe und bringe seitdem meinen Klienten bei, wie sie mit Selbsthypnose ihre Selbstheilungskräfte aktivieren können.“
Viele kennen ja nur die Showhypnose, bei der die Hypnotisierten wie ferngesteuert sind, aber Selbsthypnose, hat damit wahrscheinlich nichts zu tun…
„Das stimmt! Selbsthypnose hat unterschiedliche Methoden. In meinem Online-Kurs lernen die Teilnehmer mehrere Techniken, sich selbst zu hypnotisieren. So findet jeder für sich den besten Weg, um mit den inneren Themen, die unter den Symptomen liegen, in Kontakt zu kommen. Unser bewusstes Denken ist ja nur ein Teil unseres Gehirns. Da gibt es aber noch viele andere Teile, die viel wichtiger sind und viel mehr Informationen haben. In der Selbsthypnose lernen wir, auf diese Informationen zuzugreifen, um mit diesen Gehirnbereichen zu arbeiten. Das geht zum Beispiel über Visualisierungen, über Gefühle oder über das Symptom direkt. Ich zeige also verschiedene Techniken, um mit den Bereichen zu kommunizieren, die Symptome zeigen. Das ist etwas, was eigentlich jeder Mensch kann, was wir aber im Laufe des Lebens verlernen oder was uns bislang einfach nicht gezeigt wurde.“
Wie läuft so eine Selbsthypnose dann ab?
„In meinem Online-Kurs leite ich die Hypnose an sodass die Teilnehmer in einen leichten Trance-Zustand kommen. Das ist eigentlich ein Zustand, den jeder kennt. Zum Beispiel, wenn wir im Zug sitzen und plötzlich am Ziel sind, ohne uns an die Fahrt so richtig zu erinnern. Das heißt, wenn unser Gehirn entspannt ist, kommen wir in einen Zustand, wo wir in unseren Gedanken und Gefühlen sind und diesen Zustand oder diese Fähigkeit, die nutzen wir in der Hypnose.“
Liegen denn unter den gleichen psychosomatischen Symptomen auch immer die gleichen Themen?
„Nein, es gibt keine pauschalen Deutungen. Unter Neurodermitis beispielsweise kann im Prinzip alles liegen. Es sind einfach immer individuelle Themen.
Was man sagen kann, ist dass ein psychosomatisches Symptom immer entsteht, wenn ein Gefühl unterdrückt wird. Und bei bestimmten Symptomen haben wir es oft mit Wut oder Trauer zu tun, die unterdrückt wurden. Denn das sind die Gefühle, bei denen wir Menschen uns hilflos fühlen und die wir nicht haben wollen. Meiner Erfahrung gehen besonders Frauen bei Wut schnell in die Unterdrückung und haben dadurch mit so vielen Ängsten zu tun. Oder auch mit Depressionen, denn die Folge davon, ein Gefühl massiv zu unterdrücken ist, dass ein anderes Gefühl dadurch stark wird. Bei unterdrückter Wut ist es dann meist die Trauer, die stark wird.
Und wenn es kein Gefühl ist, das dann hochkommt, kann es auch ein körperliches Symptom wie zum Beispiel Neurodermitis, Schuppenflechte oder auch Rückenschmerzen sein.
Viele Symptome entstehen ja schon in der Kindheit und Jugend. Da ist es so, dass das Kind in einer Situation ist, die es noch nicht anders verarbeiten kann. Es hat einfach keine Möglichkeit, mit all den Gefühlen wie Verzweiflung, Hilflosigkeit, Wut und Angst adäquat umzugehen und dann bleibt ihm nur der Weg ins Symptom.
Es ist also immer so, dass die Symptome mit einem Gefühl zu tun haben, aber wir können von außen nicht sagen, was es genau ist. Und noch weniger wissen wir, in welcher Situation das Gefühl aufgetreten ist.“
Wie kann Selbsthypnose bei der psychosomatischer Beschwerden Heilung helfen?
„Die Selbsthypnose hilft dabei, das unterdrücke Gefühl zu finden und es spüren zu dürfen. Es wird also zurückgeholt und in einem sicheren Rahmen endlich gefühlt. Wenn die Symptome im Erwachsenenalter entstehen, kann es auch sein, dass die Symptome durch eine innere Patt-Situation entstehen. Zum Beispiel, wenn einem die Arbeit zu viel ist, man aber denkt, man könne sie nicht kündigen. In solchen Fällen ist dann das Wichtigste in der Selbsthypnose, dass die Betroffenen den Konflikt erst einmal klar sehen. Denn durch das Symptom sind sie so abgelenkt, dass sie das eigentliche Problem gar nicht mehr erkennen.“
Gibt es deiner Meinung nach auch Beschwerden, die nicht psychosomatisch sind?
„Es gibt keine wirkliche Trennung von Körper und Psyche. Das ist ein reines Konstrukt unserer Gesellschaft. Aber natürlich kann ich mich zum Beispiel mit Keimen oder Viren Anstecken und dadurch Beschwerden entwickeln, die dann nicht per se psychosomatisch sind. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir dann über die psychische Ebene nichts tun können. Denn über Selbsthypnose kann man das Immunsystem sehr gut stärken und auch das Hormonsystem ausbalancieren und somit den Körper auch bei solchen Beschwerden gut unterstützen.
Gleichzeitig ist die Frage – wenn wir zum Beispiel eine Pilzinfektion nehmen – warum stecke ich mich gerade jetzt mit einem Pilz an, mit dem ich ständig Kontakt habe? Denn diese Ansteckung heißt ja eigentlich nur, dass das Immunsystem gerade geschwächt und mit dem Pilz überfordert ist.
Und bei der Frage, warum das Immunsystem gerade nicht so aktiv ist, sind wir schon wieder auf der psychischen Ebene, weil es ganz oft Stressfaktoren sind, die dazu führen, dass das Immunsystem heruntergefahren ist. Also auch bei Infektionen kann man sich immer fragen, was ist da gerade los bei mir? Man braucht dann natürlich trotzdem ein Medikament. Denn ein Pilz wird jetzt nicht durch Hypnose weggehen.
Gleichzeitig sollte man das Hingucken auch nicht übertreiben, denn es ist normal, dass man mal stressige Phasen im Leben hat und dann hat man auch mal mit Viren oder Pilzen zu tun. Da braucht man dann einfach die Medizin und dann ist auch wieder gut.“
Welche Patienten haben den größten Nutzen von Selbsthypnose?
Den größten Nutzen haben aber in jedem Fall Klienten, denen die Schulmedizin nicht wirklich helfen kann, wie zum Beispiel bei meiner Schuppenflechte. Eine Kortisonsalbe hat mir im Akutfall zwar Linderung gebracht, aber wirklich besser wurde meine Haut immer erst, wenn ich mich durch Selbsthypnose meinen Themen gestellt habe, die dahinter lagen.
In unserer medizinischen Denkweise denken wir: Wir bekommen ein Medikament und dadurch entsteht die Heilung. Aber die Heilung entsteht in unserem Körper. Und der Körper entscheidet, ob ihm das Medikament reicht, um in die Heilung zu gehen – oder nicht. Und weil es oft dem Körper nicht reicht, eine Creme drauf zu tun oder eine Tablette zu schlucken, finden so viele keine Heilung. Leider bringt das einem kaum jemand bei.“
Auf deinem Insta-Kanal und in deinem Podcast geht es immer wieder um Wut. Was steckt alles hinter dieser Emotion?
„Wut und Trauer sind die wichtigsten Gefühle in der Psychosomatik. Das sind einfach die Emotionen, die immer wieder gerne unterdrückt werden. Bei der Wut ist wichtig zu wissen, dass besonders Frauen in unserer Gesellschaft damit aufwachsen, dass es das Beste ist, Wut zu unterdrücken. Und das ist die Brutstätte für ganz viele psychosomatische Beschwerden. Es ist also wichtig, wieder an einen Punkt zu kommen, die Wut positiv zu sehen und für uns zu nutzen. Wir haben leider auch so ein negatives Bild von Wut. Viele setzen sie mit Aggression gleich. Dabei ist Wut so unfassbar wichtig. Wut ist die Emotion, die einsetzt, wenn unsere Grenzen verletzt wurden. Und sie ist die Emotion, die am aller wichtigsten dafür ist, dass wir wir selber sind. Und gesund werden hat ganz viel damit zu tun, wieder ich selbst zu sein, authentisch zu sein und ein Leben zu leben, was zu mir passt. Das sind all die Themen, die man sich angucken darf, wenn es darum geht, aus einer Erkrankung herauszukommen.“
Wenn du mehr über Johanna und ihre Arbeit wissen willst, findest du sie unter www.drjohannadisselhoff.de oder bei Instagram unter johannadisselhoff. Ihr Selbsthypnose Online-Kurs startet 4 x im Jahr, sie hat den Gehirnwäsche Podcast und bietet auch Einzelarbeit an.